
Fachkräftemangel: Ursachen, Übersicht und Maßnahmen
Glaubt man den Meldungen vieler Unternehmen und Medien, herrscht in Deutschland beachtlicher Fachkräftemangel. Gleichzeitig gab es im Oktober 2021 fast 2,4 Millionen Arbeitslose. Wie passen diese Zahlen zusammen? Schließlich sind doch auch Fachkräfte unter den arbeitslos gemeldeten Personen. Die Antworten.
Was bedeutet Fachkräftemangel?
Bevor wir uns die Erklärungen für das Phänomen ansehen, sollten wir zunächst klären, was man unter Fachkräftemangel versteht. Fachkräftemangel bedeutet, dass Unternehmen Arbeitsplätze zu besetzen haben, es für diese Arbeitsplätze aber nicht genügend qualifizierte Bewerber gibt. Das allein reicht aber noch nicht aus, damit man von einem echten Fachkräftemangel sprechen kann. Denn dazu gehört außerdem, dass ein erheblicher Mangel an qualifiziertem Personal herrscht, der noch dazu über längere Zeit anhält.
Für Unternehmen, die nach geeignetem Personal suchen, wäre das schon schlimm genug. Doch das sind noch nicht alle Auswirkungen, die der Fachkräftemangel haben kann. Hinzu kommen nämlich ebenfalls Auswirkungen auf die gesamte Volkswirtschaft. Fehlen Unternehmern die nötigen Fachkräfte, bleiben Stellen unbesetzt. Das wiederum bedeutet, dass das Unternehmen weniger produziert als es könnte und das heißt letztlich weniger Umsatz und weniger Gewinn – und damit auch weniger Steuern.
Welche Arbeitnehmer gelten als Fachkräfte?
Als Fachkraft bezeichnet man Arbeitnehmer, die entweder eine Berufsausbildung, die mindestens zwei Jahre dauert, abgeschlossen oder ein Studium in der Tasche haben. Hält man sich an diese Definition, gelten sowohl der Anlagenmechaniker, als auch der Ingenieur als Fachkraft.
Unternehmen mangelt es also an Fachkräften, wenn sie eine Stelle für einen Anlagenmechaniker zu besetzen haben, aber keinen Bewerber mit einer entsprechenden Qualifikation finden.
Suchen dagegen Unternehmen beispielsweise für das Weihnachtsgeschäft lediglich Mitarbeiter für bestimmte Arbeiten, die jedoch keine gesonderte Berufsausbildung erfordern, nennt man das einen Mangel an Fachkräften.
Beispiel: Eine Drogeriekette sucht für das Weihnachtsgeschäft Aushilfen, die an den Wochenenden in der Adventszeit dabei helfen, Geschenke einzupacken, findet aber keine Bewerber. Da man zum Einpacken von Geschenken nicht zwingend eine abgeschlossene Berufsausbildung haben, muss, spricht man in diesem Fall von einem Mangel an Arbeitskräften.
Ist die Drogeriekette jedoch auf der Suche nach einer Kundenberaterin, die eine abgeschlossene Ausbildung als Kosmetikerin hat, ist sie auf der Suche nach einer Fachkraft. Findet sie keine, spricht man von einem Fachkräftemangel.
Wie wird der Fachkräftemangel gemessen?
Wie bereits angesprochen, muss die entsprechend Stelle über einen längeren Zeitraum unbesetzt bleiben, damit man von einem Fachkräftemangel sprechen kann. Ermittelt die Agentur für Arbeit die aktuellen Zahlen zum Fachkräftemangel in Deutschland, schaut sie daher immer auch auf die sogenannten Vakanzzeit. Damit meint man die Zeitspanne, die es dauert, bis eine ausgeschriebene Stelle mit der gesuchten Fachkraft besetzt werden kann.
Anhand der Vakanzzeit kann man ablesen, wie es aktuell in Deutschland um den Fachkräftemangel bestellt ist, nämlich nicht gut. Seit mehr als einem Jahrzehnt müssen Unternehmen nämlich immer länger suchen, bis sie endlich die passenden Mitarbeiter gefunden haben.
Dabei zeigt sich, dass die Vakanzzeit in einigen Berufen deutlich länger ausfällt als in anderen. Solche Berufe, in denen der Fachkräftemangel also besonders deutlich spürbar ist, nennt man Engpassberufe. Folgende Übersicht zeigt die Engpassberufe in Deutschland im Jahr 2019 mit den dazugehörigen Vakanzzeiten
Beruf | Vakanzzeit |
Klempnerei, Sanität, Heizung, Klima | 207 |
Altenpflege | 204 |
Industrielle Glasherstellung und -verarbeitung | 194 |
Leder-, Pelzherstellung und -verarbeitung | 189 |
Bodenverlegung | 186 |
Energietechnik | 185 |
Berg-, Tagebau und Sprengtechnik | 181 |
Aus- und Trockenbau | 180 |
Bau- und Transportgeräteführung | 180 |
Metallbearbeitung | 179 |
Naturstein-, Mineral- und Baustoffherstellung | 177 |
Metallbau und Schweißtechnik | 176 |
(Quelle: statista.com)
Warum haben wir einen Fachkräftemangel in Deutschland?
Wir konnte es so weit kommen, dass Unternehmen schon jahrelang qualifizierte Bewerber fehlen, um die offenen Stellen zu besetzen? Auf diese Frage lässt sich natürlich keine pauschale Antwort geben. Denn wie so häufig führen mehrere Gründe zu dem Phänomen, das wir beobachten. In Bezug auf den Fachkräftemangel sind unter anderem folgende Erklärungen denkbar:
- Demographischer Wandel: Zunächst einmal lässt sich der Fachkräftemangel damit erklären, dass es in Deutschland immer weniger Personen gibt, die im erwerbsfähigen Alter sind. Dieses Problem liegt unter anderem daran, dass schon seit Jahrzehnten immer weniger Babys in Deutschland geboren werden. Die geburtenstarken Jahrgänge der sogenannten Babyboomer, also Personen, die zwischen 1946 und 1964 geboren wurden, sind zum großen Teil bereits in Rente. Nicht nur fehlen diese Fachkräfte dem Arbeitsmarkt, sie verstärken das Problem auch noch zusätzlich. Denn diese Personen sind nicht selten auf Hilfe oder sogar Pflege angewiesen. Und in der Pflegebranche herrscht ohnehin schon Fachkräftemangel.
- Unattraktiver Standort: Auch Fachkräfte in IT-Berufen werden händeringend gesucht und auch hier zeigt sich das bekannte Problem, dass es mehr freie Stellen als qualifizierte Bewerber gibt. Ein Grund dafür könnte sein, dass die gut ausgebildeten Fachkräfte nicht zwingend in Deutschland arbeiten müssen. Personen aus dem digitalen Umfeld, sprechen häufig sehr gut Englisch und können sich daher auch auf internationale Stelle bewerben. Gerade in den USA werden Programmierer oder Social Media-Experten gesucht und junge Menschen, die eine entsprechende Ausbildung haben, folgen diesem Ruf in einige Fällen. Denn in den USA sitzen die großen Tech-Unternehmen, die gerade für jüngere Arbeitnehmer interessant sind. Was dazu führt, dass diese Fachkräfte in Deutschland fehlen.
- Schlechtes Bewerbermanagement: Natürlich darf man die Gründe für den Fachkräftemangel nicht allein bei den Beschäftigten suchen. Auch Arbeitgeber tragen ihren Teil dazu bei, dass in einigen Regionen und Branchen offene Stellen nicht zügig oder gar nicht besetzt werden. Denn manche Unternehmen haben die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt. Es ist nämlich keinesfalls so, dass Personalrecruiting heute noch so funktioniert wie vor einigen Jahren. Damals war es noch möglich, eine Anzeige zu schalten und darauf zu warten, dass sich die passenden Bewerber ganz von selbst darauf bewerben. Heute ist das nicht mehr so. Wer als Arbeitgeber heute gesucht Fachkräfte einstellen möchte, der muss etwas dafür tun und den Mitarbeitern in spe etwas bieten. Unternehmen, die das nicht tun, haben noch stärker als die Konkurrenz unter dem Fachkräftemangel zu leiden.
Was kann man gegen Fachkräftemangel tun?
Die Gründe für den Fachkräftemangel geben schon Hinweise darauf, was man tun kann, um die Entwicklung zumindest ein wenig abzufedern. Unter anderem folgende Maßnahmen bieten sich an:
- Mütter stärker integrieren: Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist ein Stichwort, das immer wieder genannt wird – auch im Zusammenhang mit dem Fachkräftemangel. Denn Fachkräfte, die auf der Suche nach einem neuen Job sind, könnten die Vereinbarkeit von Beruf- und Privatleben zu einem Auswahlkriterium bei der Entscheidung für oder gegen den Arbeitgeber machen. Aber auch davon abgesehen, sind familienfreundliche Arbeitgeber im Vorteil. Sie können nämlich auch um die Großzahl der Mütter werben, die nach der Familienpause häufig in Teilzeit in den Beruf zurückkehren. Arbeitgeber, die flexible Arbeitszeiten und -modelle, wie zum Beispiel Homeoffice anbieten, sind bei dieser Gruppe von Arbeitnehmern klar im Vorteil. Generell sind Unternehmen gut beraten, gut ausgebildete Mütter stärker zu integrieren.
- Ältere Arbeitnehmer einbinden: Noch eine weitere Berufsgruppe hat in den letzten Jahren und Jahrzehnten nicht die Beachtung gefunden, die ihr zusteht: Ältere Beschäftigte. Statt Arbeitnehmer in Altersteilzeit oder gar in Frührente zu schicken, sollten Unternehmen versuchen, diese Mitarbeiter langfristig im Unternehmen zu halten. Vielleicht lassen sich andere Betätigungsfelder finden. Zum Beispiel als Mentor, Coach oder Berater können Fachkräfte anderen Mitarbeitern oder Führungskräften zur Seite stehen. So kann das Know-How langfristig gebunden werden.
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