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Formulierungen im Arbeitszeugnis verstehen

Auf den ersten Blick lesen sich fast alle Arbeitszeugnisse positiv. Kritische Beurteilungen verbergen sich darin immer hinter verklausulierter Zeugnissprache. Allerdings darf ein Arbeitszeugnis grundsätzlich nicht negativ ausfallen. Wie man die Formulierungen im Arbeitszeugnis entschlüsselt, wann man ein Arbeitszeugnis oder Zwischenzeugnis beantragen kann oder sollte und wie es im Idealfall aussieht, verraten wir im Folgenden.

Warum es keine negativen Formulierungen im Arbeitszeugnis geben darf

Grundsätzlich haben Sie als Arbeitnehmer einen gesetzlichen Anspruch (§ 109 GewO) auf ein „wahres“ und „wohlwollendes“ Arbeitszeugnis (BAG 10.05.2005 Az. 9 AZR 261/04) in schriftlicher Form. Negative Beurteilungen, offene Kritik oder gar herabwürdigende Formulierungen sind deshalb im Arbeitszeugnis verboten – oder nur dann zulässig, wenn die negative Beurteilung von Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers für die gesamte Dauer des Beschäftigungsverhältnisses charakteristisch war (BAG 10.05.2005 Az. 9 AZR 261/04). Eine vermeintliche Geheimsprache zur Formulierung persönlicher Diffamierungen ist allerdings niemals ordnungsgemäß. Klauseln wie

  • -„zeigte für die Arbeit Verständnis“ (war faul)
  • -„durch Geselligkeit trug sie/er zur Verbesserung des Betriebsklimas bei“ (neigt zu übertriebenem Alkoholgenuss)

sind nicht zulässig.

Die inzwischen fast schon standardisierte „Zeugnissprache“ bietet dem Arbeitgeber oder Vorgesetzten allerdings einen gewissen Spielraum bei der Bewertung der Leistungen des Arbeitnehmers. Diese sind erlaubt, müssen aber erst einmal entschlüsselt werden, um das eigene Arbeitszeugnis verstehen und bewerten zu können.

 

Was die Formulierungen im Arbeitszeugnis über die eigene Leistung aussagen

Sehr gute Arbeitsleistungen werden in ausführlichen Tätigkeitsbeschreibungen durch Formulierungen in Superlativen dokumentiert und lassen sich zum Teil in Schulnoten übersetzen. Ein genaues Lesen lohnt sich, ein „stets“ macht bereits den Unterschied:

Leistungsbeurteilung

– „(…) erfüllte die ihm/ihr übertragenen Aufgaben stets zu unserer vollsten/höchsten Zufriedenheit“ steht für sehr gut, Note 1

– „erledigte ihre/seine Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ beschreibt eine gute Arbeitsleistung, Note 2 

– „zu unserer vollen Zufriedenheit“ meint nur ein befriedigendes Ergebnis, Note 3

Soziale Kompetenz

– „Verhalten gegenüber Kunden, Vorgesetzten und Kollegen war stets einwandfrei/vorbildlich“ – der Arbeitnehmer erhält Bestnoten

– „Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Mitarbeitern war vorbildlich“ steht für eine gute Beurteilung

Sollten Vorgesetzte oder Kunden nicht aufgeführt werden, kann dies ein Hinweis auf Konflikte sein.

Fachkenntnisse

– „hervorragende Fachkenntnisse auch in Randbereichen“ – der Arbeitnehmer wird mit einem „sehr gut“ bewertet

– auf Lücken in der fachlichen Kompetenz weist die Klausel „hervorragende Kenntnisse in Teilbereichen“ hin

Schlussformel

Es ist allgemein üblich, dass der Arbeitgeber am Ende des Zeugnisses seinen Dank an den Arbeitnehmer ausspricht. Einen Hinweis auf großes Bedauern über den Verlust des Mitarbeiters zeigt folgende Formel an: „Wir bedauern ihr/sein Ausscheiden außerordentlich und danken für die stets hervorragende und erfolgreiche Zusammenarbeit. Wir wünschen ihr/ihm für ihren/seinen beruflichen und privaten Werdegang alles Gute.“

Die Formulierung „Wir bedauern ihr/sein Ausscheiden und wünschen ihr/ihm für die Zukunft alles Gute!“ weist darauf hin, dass der Arbeitnehmer keine große Lücke im Unternehmen hinterlässt.

 

Merkmale und Struktur des Arbeitszeugnisses

Ein zulässiges und formal korrektes Arbeitszeugnis weist eine bestimmte Struktur auf und beurteilt die Arbeitsweise, die Fachkenntnisse sowie das Verhalten des Mitarbeiters. Folgende Grundsätze gelten für ein korrektes Arbeitszeugnis:

  • Ein qualifiziertes Arbeitszeugnis ist immer schriftlich auszustellen
    Die rein elektronische Form ist nicht zulässig.
  • Das Arbeitszeugnis muss individuell formuliert sein
    Ist das Zeugnis nachweisbar lediglich eine personalisierte Musterform, können Sie ein neues verlangen.
  • Das Arbeitszeugnis muss in ordentlicher Form ausgestellt werden.
    Sie haben Anspruch auf einen fehlerfreien, nicht verknitterten und sauberen Ausdruck auf Firmenpapier.
  • Das Arbeitszeugnis muss unterschrieben sein
    Die Unterschrift des Personalverantwortlichen/Vorgesetzten gehört zwingend unter das ausformulierte Arbeitszeugnis
  • Das Arbeitszeugnis sollte maximal 3 DIN A4 Seiten umfassen
    Ein zu ausführliches Arbeitszeugnis wirkt unglaubwürdig und erregt den Verdacht, selsbt geschrieben zu sein
  • Das Arbeitszeugnis muss Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit enthalten (einfaches Zeugnis) sowie eine Bewertung der Leistungen und des Sozialverhaltens (qualifiziertes Zeugnis).
  • Die Schlussformel ist freiwillig
    Die Angabe des Trennungsgrundes, Dank und Bedauern über das Ausscheiden sowie positive Zukunftswünsche sind nicht zwingend Teil des Arbeitszeugnisses. Achtung: Das Fehlen der Schlussformel gilt als negativ.

 

Wann sollte ein Arbeitszeugnis oder Zwischenzeugnis angefordert werden?

Ein Arbeitszeugnis kann nicht erst nach langjähriger Tätigkeit oder Kündigung verlangt werden. Tatsächlich haben Arbeitnehmer bereits nach 6 Wochen Beschäftigungsdauer Anspruch auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis. Im Falle einer Kündigung sollte immer ein qualifiziertes Arbeitszeugnis eingefordert werden, da der Arbeitgeber anderenfalls lediglich ein einfaches Arbeitszeugnis ausstellen muss.

Ein Zwischenzeugnis kann jederzeit angefordert werden – sei es, um die Einschätzung der eigenen Leistung durch den Arbeitgeber besser beurteilen zu können oder um sich damit noch während der Anstellung an anderer Stelle zu bewerben. Wichtig: Das Zwischenzeugnis muss im Präsens formuliert sein, schließlich besteht das Beschäftigungsverhältnis ja noch besteht. Es empfiehlt sich grundsätzlich, ein Zwischenzeugnis vor längeren Unterbrechungen wie der Elternzeit oder einem Sabbatical einzufordern.

 

Abschließender Tipp: Formulierungen im Arbeitszeugnis in Ruhe prüfen

Auch wenn die Aufregung nach einer Kündigung durch den Arbeitgeber groß ist oder Sie sich viel von Ihrem Zwischenzeugnis für die Bewerbung bei einem anderen Arbeitgeber versprechen: Lesen Sie Ihr jeweiliges Zeugnis mit Bedacht und prüfen Sie die Formulierungen darin in Ruhe Nicht alles ist so gemeint, wie es auf den ersten Blick scheint. Sollten Sie dann eine begründete Beanstandung haben, wird Ihre (ehemaliger) Arbeitgeber bestimmt gern auch auf Ihre sachliche Nachfrage eingehen. Selbs wenn das endgültige Arbeitszeugnis nicht voll und ganz Ihren persönlichen Erwartungen bespricht, sollten Sie bedenken, das s es nur ein Teil Ihrer Bewerbungsunterlagen ist – Fachwissen, Referenzen und Fortbildungen wiegen oft mehr.

* alle Begriffe wie „Arbeitnehmer, Kollegen, Mitarbeiter, Vorgesetzte etc.“ werden für alle Beschäftigten weiblichen, männlichen und diversen Geschlechts verwendet

 

 

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