
Gamifikation für Arbeitgeber: Auch so kann Recruiting funktionieren
Spielerisch die passenden Bewerber finden – das klingt nach einem Marketingslogan, der zu schön ist, um wahr zu sein. Tatsächlich ist es aber möglich, spielerische Elemente zu nutzen und damit sein Recruiting zu vereinfachen. Gamifikation nennt sich diese Methode, die einiges leisten kann…
Gamifikation im Recruiting: Was versteht man darunter?
Gamifikation meint die Übertragung von Elementen, die eigentlich in Videospielen oder anderen spielerischen Kontexten zu finden sind, auf andere Zusammenhänge. In unserem Fall werden spielerische Mechaniken zum Beispiel auf den Prozess des Recruiting übertragen. Und dass diese Übertragung von Spielelementen in andere Zusammenhänge durchaus erfolgversprechend sein kann, zeigen folgende Beispiele:
Viele von uns nutzen Kundenkarten, auf denen bei jedem Einkauf bestimmte Punkte gutgeschrieben werden. Diese Punkte können bei einem späteren Einkauf eingelöst oder anderweitig genutzt werden. Das Prinzip funktioniert so gut, weil dadurch nicht nur unser Spieltrieb, sondern auch unsere Sammelleidenschaft aktiviert wird. Was viele von uns noch aus ihrer Jugend und Spielen wie zum Beispiel Super Mario Bros. kennen, wird nun auf einen ganz anderen Zusammenhang übertragen, nämlich unser Einkaufsverhalten.
Beispiel für Gamifikation
Es muss aber bei der Gamifikation nicht nur um den schnöden Mammon gehen. Vor einigen Jahren nutzen Aktivisten unseren Spieltrieb dazu, das Treppensteigen populärer zu machen. Die Idee der Initiatoren: Die Rolltreppe, die sich in der U-Bahn direkt neben der Treppe befindet, sollte unattraktiver werden. Was machten sie also? Sie funktionierten die Treppenstufen kurzerhand zu einem Klavier um. Die einzelnen Stufen wurden dazu weiß oder schwarz beklebt und mit Musik unterlegt. Das Experiment funktionierte: Fast 70 Prozent mehr Menschen entschieden sich fortan dafür, lieber aus eigener Kraft die Treppenstufen zu erklimmen, statt sich auf die elektrische Rolltreppe zu verlassen.
Genau diese Prinzipien, die die Gamifikation nutzt, lassen sich auch auf andere Zusammenhänge übertragen. So eben auch auf das Recruiting. Hier kennt man den spielerischen Ansatz übrigens nicht nur unter dem Namen Gamifikation, sondern auch als Recrutainment, eine Wortschöpfung aus den beiden Bestandteilen Recruiting und Entertainment. Damit wird ebenfalls sofort klar, worauf man damit hinauswill, nämlich die Personalfindung mit spielerischen Elementen spannender zu machen – das gilt übrigens nicht nur für die Seite der Bewerber.
Gamifikation im Bewerbungsprozess
Das Schöne an den Elementen der Gamifikation: Sie können im jeweiligen Unternehmen, ja sogar in jedem einzelnen Bewerbungsprozess ganz unterschiedlich eingesetzt werden. Einige Unternehmen nutzen die Gamifikation, um ihr Employer Branding zu stärken, während andere ausschließlich im Assessment Center auf die Elemente der Spielmechanik zurückgreifen, um den Prozess interessanter zu machen.
Mittlerweile ein Klassiker auf dem Gebiet der Gamifikation im Bewerbungsprozess ist das Spiel „Americas Army“ der – wenig verwunderlich – US-Army. Dort können sich Kandidaten den möglichen Einsatz im Kampf für die Armee der Vereinigten Staaten von Amerika genauer ansehen. In einem Computerspiel, das wie ein Ego Shooter aufgebaut ist, können sie verschiedene Kampfeinsätze durchspielen. Die Idee dahinter: Die angehenden Soldaten sollen sich ein Bild davon machen, ob Kampfeinsätze wirklich das sind, was sie sich unter dem Dienst in der Armee vorgestellt haben.
Es ist natürlich fraglich, wie aussagekräftig diese Art der Gamifikation im Bewerbungsprozess noch ist. Schließlich spielen viele Jugendliche ohnehin regelmäßig diese Art von PC-Spielen und dürften daher etwas „abgestumpft“ sein. Überspitzt formuliert: Wo verläuft die Grenze zwischen dem freiwillig gespielten Call of Duty und dem Recruiting Spiel der US-Armee? Das ist eine Frage, die wir zum Glück an dieser Stelle nicht beantworten müssen. Wir schauen uns lieber an, wofür Gamifikation für unseren Bewerbungsprozess genutzt werden kann.
Zwei Arten der Gamifikation
Zunächst einmal muss man dazu die verschiedenen Arten kennen, unter denen Gamifikation im Recruiting überhaupt genutzt werden kann:
- Spiele zur Selbsteinschätzung: Vermutlich kennen diese Art von Gamifikation einige von uns: In Selbsttests oder kurzen Spielen kann man einen Eindruck davon bekommen, ob der Job der richtige ist. Das oben genannte Spiel der US-Armee gehört in diese Gruppe der Gamifikation. Aber auch der Test „My Marriot Hotel“, bei dem Bewerber einen virtuellen Arbeitstag im Marriot Hotel durchlaufen können, gehört in diese Kategorie. Beide Male soll der Bewerber oder Interessent spielerisch einen Eindruck davon bekommen, ob die Aufgabe die richtige für ihn ist.
- Spiele zur Fremdeinschätzung: Auf der anderen Seite kann Gamifikation aber auch dem Personalverantwortlichen bei der Auswahl des geeigneten Kandidaten helfen. Diese Art der Gamifikation geht über das klassische Rollenspiel im Bewerbungsprozess hinaus und kann bessere Einblicke liefern, ob der jeweilige Kandidat das halten kann, was die Bewerbungsunterlagen versprechen. Ein solcher Test ist zum Beispiel CyPRESS, den Bewerber bei dem Gruner+Jahr Verlag absolvieren können. Bewerber, die die erste Runde erfolgreich bestehen, werden zu einer weiteren Auswahlrunde eingeladen. In dieser Runde werden sie umfangreicher getestet, nämlich unter anderem ihre Fähigkeiten zur Problemlösung und Planungskompetenz anhand konkreter Situationen, die sich im Verlag ergeben können. Das Ganze natürlich in Form von Online-Spielen. Diese Art der Gamifikation war für den Verlag ein voller Erfolg: Innerhalb von sechs Jahren nutzen sich mehr als 40.000 Interessenten das Online-Auswahlverfahren.
Was kann Gamifikation leisten?
Unternehmen, die den Bewerbungsprozess oder Teile davon spielerisch gestalten, können mehr Interessenten anziehen. Das allein ist schon ein Vorteil der Gamifikation, doch es ist nicht der einzige.
Gamifikation gibt Unternehmen daneben die Möglichkeit, sich positiv bei potentiellen Kandidaten zu präsentieren. Die Spiele können so gestaltet werden, dass Interessenten genau den Einblick in das Unternehmen bekommen, den man zeigen möchte. Wer Gamifikation geschickt nutzt, kann sein Employer Branding stärken und gerade bei der Gruppe der jungen Digital Natives punkten.
Und selbst wenn es mit der Bewerbung nicht klappen sollte, kann Gamifikation weiterhelfen. Denn über eine Absage kann diese Art der Bewerberauswahl etwas hinwegtrösten. Dazu müssen die Spiele und damit der Bewerbungsprozess so aufbereitet sein, dass der Kandidat etwas dabei lernt. Klappt es dann schon in der ersten Runde nicht, ist es nicht ganz so schlimm. Denn so hat der Bewerber in dieser Zeit ein Spiel gespielt, bei dem er neue Informationen erhalten hat und gleichzeitig Spaß hatte. Gamifikation kann also dazu beitragen, auch nach einer Absage den Bewerber mit positiveren Gefühlen zurückzulassen. Das erhöht auch die Chancen, dass sich der Bewerber in einiger Zeit wieder bei dem Unternehmen bewirbt.
Aber nicht nur bei der Mitarbeiterfindung, auch im Hinblick auf die Mitarbeiterbindung kann Gamifikation nützlich sein. Das positive Bild, das durch die Gamifikation vermittelt werden kann, wirkt sich natürlich auch auf die Wahrnehmung innerhalb der Belegschaft aus. Relativ weit verbreitet sind zum Beispiel Empfehlungsprogramme, bei denen Mitarbeiter Punkte sammeln können. Empfiehlt der Mitarbeiter einen Bewerber und wird dieser später eingestellt, bekommt der Mitarbeiter im Gegenzug Treuepunkte. Diese Punkte kann er später verschieden einsetzen – hier können Unternehmen individuelle Regelungen finden. Rabatte im Werkseinkauf oder gar ein Urlaubstag sind denkbar.
Wissenschaftliche Grundlage der Gamifikation
Dass Gamifikation mehr als eine schöne Idee ist, zeigen regelmäßig verschiedene Studien. Zu den bekannteren gehört die Untersuchung des sogenannten CHRIS Teams der Universitäten Bamberg und Frankfurt. In dem Artikel „Online gaming to apply for jobs-the impact of self- and E-assessment on staff recruitment“ kommen die Autoren unter anderem zu dem Ergebnis, dass Unternehmen, die auf Gamifikation setzten, tatsächlich mehr qualifizierte Kandidaten finden und so während des Recruitingprozesses Zeit und Geld sparen. Mehr als genug Gründe, Gamifikation auszuprobieren, oder?
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